Sonntag, 13. August 2017

Dieselabgase: Ignoranz und Schockstarre


Prüstandsversuch mit einem Euro 5-Diesel

Der mit großem Tamtam angekündigte Diesel-Gipfel hat einen weiterhin extrem verunsicherten Markt hinterlassen. Und seine Substanz war derart gering, dass Kanzlerin Merkel sogleich das nächste Selbstzünder-Gipfeltreffen angekündigt hat. Die Dieselproblematik plötzlich ein Wahlkampfthema? So sehr sich die Bundesregierung davon überrascht zeigt, so offenkundig war dessen Absehbarkeit. Die Politik tappt im Dunkeln, die Industrie taumelt zwischen Schockstarre und Kommunikationschaos.
Die Ausgangslage ist klar: Dobrindt will seine Haut bis zur Bundestagswahl retten, Frau Hendricks ist ohnehin Ministerin auf (Wahl-) Abruf. Ob der Plan von Dobrindt aufgeht, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, sprich: Ob Merkel nicht Seehofer doch noch dazu bewegt, ihn zu opfern. Die Begründung läge auf der Hand: Er hat mit der PKW-Maut klar die falschen Prioritäten gesetzt und die Diesel-Diskussion viel zu lange laufen lassen
Laut Herrn Dobrindt (die Tonalität ist aufschlussreich: Er spricht von den „Automobilern", Frau Hendricks von der "Auto-Industrie") hat sich die Bundesregierung auf den Vorschlag der Hersteller eingelassen, alle Software-Updates bei Euro 5 und Euro 6 auf "etwa 30 - 35%" zu mitteln. Das ist perfide, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Software-Updates bei Euro 5-Dieseln sind gemäss der überwältigenden Expertenmeinung Unsinn, ja sogar kontraproduktiv: NOx-Reduktionen von bestenfalls 25% stehen erhebliche Verschlechterung bei CO2- und Ruß-Emissionen (Lebensdauer der Dieselpartikelfilter sowie der Abgasrückführungs-Komponenten), Kraftstoffverbrauch und Laufverhalten gegenüber. Im Übrigen kann sich jeder die Frage stellen, inwieweit diese staatlich genehmigten Updates die hochbezahlten VW/Audi-Softwarebetrüger nicht zu dummen Buben abstempeln.
2. Ganz ähnlich verhält es sich bei denjenigen Euro 6-Fahrzeugen, die über kein SCR-System (sprich AdBlue/Harnstoff-Einspritzung in den Katalysator) verfügen. Ein Beispiel hierfür ist der neue Alfa Romeo Giulia, der lt. RDE-Messungen über 1000 mg NOx emittiert (zul. EU-Grenzwert 80 mg x Faktor 2,1 = 170 mg).
3. Bei den Euro 6-Fahrzeugen mit SCR-Technologie folgt das nächste Dilemma: Die AdBlue-Tanks sind zu klein! Und dies nicht nur aus simplen "Spargründen", sondern weil die Karosseriearchitektur (Bodengruppe) bei den betroffenen Fahrzeugen nicht dafür ausgelegt ist (ein Harnstofftank lässt sich nur am Unterboden montieren, eine Unterbringung im Kofferraum verbietet sich, da schon die kleinste Undichtigkeit das Fahrzeug geruchstechnisch "verseuchen" würde). Während BMW als einziger Hersteller, der SCR- und Denox-Speicherkats in der Serie miteinander kombiniert, hier noch die geringsten Probleme hat, wiegt der Fall bei den Mitbewerbern schwerer. Ein Beispiel: Würde ein VW Tiguan mit seinem 12 Liter fassenden Harnstofftank per Software auf eine "ehrliche" AdBlue-Dosierung von 4%/100 km getrimmt, müsste nach spätestens 5000 km AdBlue (bei Vollgas-Piloten deutlich früher) nachgefüllt werden. Ähnlich verhält es sich bei den Sechszylinder-Dieselfahrzeugen, insbesondere den SUV's, von Audi, Porsche oder Mercedes: Diese haben zwar Tankvolumina von im Schnitt gut 20 Litern, verbrauchen dafür aber mehr. Der AdBlue-Preis: 10 Liter bei Amazon 12 Euro, an der Tankstelle bis zu 20 Euro. Damit bewegt sich der Literpreis von AdBlue allmählich auf Dieselniveau! Und wer einmal selbst nachgefüllt hat, tut dies nie wieder: Stechender Geruch, schon der kleinste Spritzer ruiniert die Kleidung und brennt auf der Haut. In der Werkstatt kostet der Spaß 90 Euro (Vierzylinder). Was wohl die Autowerkstatt auf der Urlaubsfahrt am Mittelmeer zu dem Nachfüll-Begehren sagen würde?
Punkt 3 zeigt, wie unrealistisch eine SCR-Nachrüstung bei Euro 5- und 6-Fahrzeugen (ohne SCR) ist. Nichts gegen das Binox-System von TwinTec/Baumot, dessen Grundidee zweifelsfrei sehr gut ist. Aber dieses wird zumindest kurz- bis mittelfristig wenig Chancen haben, da einer großen Zahl von Fahrzeugen der notwendige Bauraum fehlt und die erforderliche Neuabstimmung der Motorsoftware extrem aufwendig ist.
In Erinnerung gerufen muss auch die technische Hauptursache des Diesel-Skandals, nämlich die Versottung der AGR-Ventile (Abgasrückführung): Genau hierfür will die Autoindustrie im Zuge der angebotenen Software-Updates die volle Gewährleistung übernehmen. Das grenzt an Verbraucher-Verdummung!
Ein weiterer schwerwiegender Mangel an dem heutigen "Wir-überbrücken-mal-die-Bundestagswahl-Kompromiss" ist die sich fortsetzende Blockadehaltung gegenüber der blauen Plakette: So ungeliebt dieses Kind der zu Recht überaus anrüchigen Deutschen Umwelthilfe (DUH) auch immer sein mag, so unverzichtbar ist es, zumal darin das einzige derzeit verfügbare Marktsteuerungsinstrument für wirksame Nachrüstlösungen besteht. Die von Dobrindt proklamierten "Gebietsanalysen in den derzeit 28 Problemregionen" sind jedenfalls ein peinlicher Treppenwitz, reine Show, da technisch nicht umsetzbar!
Szenario a: Sollte die künftige Bundesregierung (im Fall CDU/FDP) durchaus realistisch) beim derzeitigen "Konzept" bleiben, wird verkehrsrelevante Umweltpolitik auch weiterhin von den Gerichten betrieben werden. Dies bedeutet zwar noch nicht das Ende des PKW-Diesels, wird aber negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft nach sich ziehen, da die Verunsicherung der Verbraucher sich weiter fortsetzt und das Image der Autohersteller weiteren Schaden nimmt. Wirksame Nachrüst-Technologien werden allerdings trotzdem zum Zuge kommen.
Szenario b: Die Politik kommt nach der Wahl zur Vernunft und sorgt bis Jahresende für einen wirklich zierführenden Konsens: Bezüglich Punkt 1 wird eine Drittelung der Kosten von streng ergebnisorientierten, aber technologieoffenen Hardware-Lösungen, die vom Markt angeboten werden (z.B. Wassereinspritzung, SCR-Nach- bzw. Aufrüstung etc.) vereinbart. Autohersteller zahlen in einen Nachrüstfonds, der Bund legt ein eigenes Programm in gleicher Höhe auf (analog der früheren Dieselpartikelfilter-Nachrüstung), das übrige Drittel tragen die Fahrzeugbesitzer, egal ob privat oder Handel. Dies ist zweifelsfrei der goldene Weg, den Diesel aus der Schusslinie zu bringen. Und er wird kommen, möglicherweise auch für Punkt 2, da eine SCR-Nachrüstung allein schon aus Platzgründen technisch und wirtschaftlich extrem problematisch ist.

Fazit: Längst arbeiten Automobilzulieferer an innovativen Nachrüstkonzepten, wie etwa der Saugrohr-Wassereinspritzung, mit der "ehrliche", d.h. unter realen Einsatzbedingungen nachweisbare NOx-Reduktionen von über 50% bei Kosten von 1.000,00 Euro (Vierzylinder-Diesel) möglich sind. Zumal die Einbringung von Wasser in den dieselmotorischen Verbrennungsprozess ein gut beherrschbares Verfahren ist, das die Entstehung von Stickoxiden durch die Verringerung der Temperaturspitzen bereits im Motor deutlich mindert - ohne die hervorragende Effizienz der Motoren in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen. 

Montag, 10. Oktober 2016

Droht dem Diesel der elektrische Stuhl?

Da hat Volkswagen ganze Arbeit geleistet: Der Dieselmotor scheint für alle Zeiten diskreditiert. Umweltverbände und die sich zur staatlichen Ersatzbehörde aufblähende Deutsche Umwelthilfe blasen zum Sturm auf den Selbstzünder. Wurde uns noch vor einigen Jahren der sichere Tod durch Rußpartikel prognostiziert, werden wir jetzt durch Stickstoffdioxid (NO2) in den Innenstädten angeblich kollektiv vergiftet.

Und was machen die Hersteller? Die sind dieseltechnisch auf der Flucht, sozusagen vom Abgasmogel-Bazillus verfolgt. Die sogenannte Öffentlichkeit staunt: Der Diesel als unverzichtbarer Motor ehrgeiziger Klimaschutzziele? Kassiert.


Nun soll es das Elektroauto richten. Wider besseren Wissens (und jedweder Logik) in allerlei Sonntagsreden und Medien als "emissionsfrei" postuliert, wird von der noch auf lange Zeit negativen Umweltbilanz abgelenkt. Schlimmer noch: Auf die konkrete Frage, wie der Strombedarf von Millionen E-Autos überhaupt gedeckt werden soll, zumal aus erneuerbaren Energien, erhält das Volk Antworten von der Tragfähigkeit Trumpscher Wahlkampfversprechen.

Der Zeitgeist erscheint einmal mehr als deutsche Erfindung und dient der Industrie als Fluchthelfer. BMW und Daimler sind dabei, für 2020 ihre letzten Dieselmotoren auszuschreiben. Bei den üblichen Produktonszyklen von sieben bis acht Jahren ist damit schon vor 2030 Schluß. Auf dem Weg dorthin wandern die Dieselpartikelfilter vermehrt in den Abgastrakt von Benzinern, die im Gegensatz zu den modernen Dieseln ein massives Feinstaubproblem haben.

Apropos Flucht: Diese hat auch Bosch angetreten, wobei man es in Stuttgart bevorzugt, die Köpfe möglichst tief in den Sand zu stecken. Eine Faktensammlung pro Diesel, Meinungsbildnern in Politik und Medien zur Verfügung gestellt? Fehlanzeige. Ebenso wie ein konkretes Konzept, mindestens 50.000 vom Diesel abhängige Arbeitsplätze im Konzern mittelfristig sichern zu wollen.

Doch zurück zu Volkswagen: Während in Wolfsburg angesichts in den USA fälliger Strafzahlungen die Rechenschieber glühen, lässt VW-Aufsichtsratschef Pötsch die einmal mehr staunende Fachwelt wissen, selbst angesichts der Krise keine einzige Konzernmarke verkaufen zu wollen.  Wirkungsvoller lässt sich kaum Salz in die durch den Abgasskandal aufgerissenen Wunden streuen. Erst recht nicht in den USA.